34 Urlaubsgefühle auf der Fähre Kurzurlaub auf den Wellen Frankfurter Fähre transportiert Menschen und bringt sie zusammen Von Christina Langenbahn Fast täglich setzt Evelyn Vergin mit der Frankfurter Mainfähre von Höchst nach Schwanheim über. Dort geht sie dann mit ihrem Hund Ayko spazieren. Um den Main zu überqueren, könnte sie auch die nah gelegene Brücke nutzen. Die Fähre ist ihr aber lieber. „Ich mache das nicht nur wegen der Überfahrt, sondern auch wegen des freundlichen Fährmanns“, sagt die Frankfurterin. Dieser heißt Sven Junghans, ist Schiffsführer und Pächter der Mainfähre Frankfurt. Und für Ayko und seine Artgenossen hat er fast immer ein Leckerli parat. Im Sonnenuntergang schippert die Höchster Mainfähre der Frankfurter Skyline entgegen. FOTO: FRANK WOLF Fähren gab es schon, bevor es Brücken gab. Menschen und Waren gelangten so von einem zum anderen Flussufer, in den Anfängen war dazu noch Muskel- statt Motorkraft notwendig. Heute gibt es etliche Brücken, die Transportmöglichkeiten sind vielfach und trotzdem findet man entlang des Mains immer noch zwölf Fähren, die zwischen den Ufern queren. Eine von ihnen ist die Mainfähre Frankfurt „Walter Kolb“, benannt nach einem ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeister. Schon seit Kindertagen ist Sven Junghans mit der Binnenschifffahrt vertraut; seine Familie betrieb in den 1990er Jahren einen historischen Raddampfer, der seinen Heimathafen ebenfalls in Frankfurt hatte. Historische Aufzeichnungen belegen den Betrieb der Fähre seit 1623. Seit 400 Jahren schippert die Frankfurter Fähre über den Main, wenn auch nicht durchweg störungsfrei. 1945 zum Beispiel versenkte ein Frankfurter das Schiff in der Nidda- Mündung, indem er es flutete und auf Grund setzte. Damit rettete er die Fähre vor der Zerstörung, bevor sie nach Kriegsende leer gepumpt wurde und ihren Betrieb wieder aufnahm. Auch in der heutigen Zeit hat Sven Junghans einige Probleme zu umschiffen. Ganz oben auf der Liste stehen die Finanzen. Zwei Euro kostet die Überfahrt für Erwachsene mit oder ohne Fahrrad, Kinder zahlen die Hälfte. Mit diesen Einnahmen kann der ausgebildete Binnenschiffer seinen Lebensunterhalt, Wartungs- und Reparaturkosten nicht bestreiten. Es gibt nicht nur Sonnentage mit vielen Gästen. Die Mainfähre ist zwar auch bei Regen und Schnee unterwegs, aber dann gibt es nur wenige, teilweise keine Fahrgäste. Deswegen wird Sven Junghans von der Stadt Frankfurt unterstützt. 50 000 Euro gibt die Kommune jährlich dazu. „Das Doppelte wäre sinnvoll“, sagt Sven Junghans. Auch Sponsoren helfen bei der Finanzierung, wie das Energieversorgungsunternehmen Süwag, die Sparkasse, der Höchster Industrieparkdienstleister Infraserv und lokale, mittelständische Unternehmen. Sven Junghans ist dankbar für jede Unterstützung, weiß aber nicht, wie lang er damit rechnen darf. „Richtig gute Werbung wäre hilfreich“, schlägt er vor. Vielleicht könnte die Stadt Frankfurt zwei Straßenbahnen mit Reklame bekleben, das wäre doch mal was!“ An Ideen mangelt es Sven Junghans nicht: „Es wäre auch toll, wenn sich ein Sponsor fände, der die ganze Fähre übernimmt“, schlägt der Schiffsführer vor. Nicht nur die Finanzen, auch die Infrastruktur fordert den Fährbetrieb heraus. In Sichtweite der Fähranlegestelle steht, leicht und kostenlos zu überqueren, die Leunabrücke. Für viele Frankfurter kann sie mit der Fähre trotzdem nicht mithalten, vor allem aus Sicht der Radfahrer nicht, die den Frankfurter Grüngürtel für ihre Touren nutzen. Nur wegen der Fähre gelangen sie vom Nidda-Radweg über den historischen Höchster Schlossplatz und den Main zur Schwanheimer Düne, Frankfurts größtem Naturschutzgebiet. 40. Geburtstag gebührend auf der Fähre gefeiert, während die Skyline vorbeizieht Die Frankfurter sind eng mit ihrer Fähre verbunden, verstehen sie als Kulturgut ihrer Heimatstadt und wissen die lange Tradition zu schätzen. Das wurde besonders während der Corona-Zeit deutlich. Frankfurter Bürger spendeten in einer Crowdfunding-Aktion 28 000 Euro, um den Erhalt „ihrer“ Fähre zu sichern. Nicht ganz so häufig wie Evelyn Vergin mit Ayko, aber auch regelmäßig, nutzen Gudrun und Klaus Fichna die Mainfähre. Sie setzen mit den Rädern von Schwanheim über, um auf dem Höchster Wochenmarkt einkaufen zu gehen. „Wir haben aber auch schon Abendfahrten mitgemacht und die Fähre für Feierlichkeiten gemietet, berichtet Klaus Fichna. Auch das ist nämlich ein Service, den Sven Junghans anbietet: Bei seinen Skyline-Touren an Sommerabenden können die Gäste mit der Fähre auf dem Main Richtung Frankfurter City schippern und sowohl den Main als auch die Wolkenkratzer einmal aus einer anderen Perspektive betrachten. 35 Euro pro Person kostet die Fahrt, um 18.30 Uhr legt die Fähre ab, um 21.30 Uhr wieder an. Getränke gibt es an Bord, einen Picknick-Korb darf man mitbringen. Wer die Fähre ganz für sich haben und für ein paar Stunden Kurzurlaub auf dem Wasser machen möchte, kann sie auch komplett chartern. 30 Personen haben insgesamt Platz, Getränke werden gestellt, das Büfett bringt man selbst mit, es darf auch gegrillt werden. Die Frankfurterin Corinna Kayser nutzte dieses Angebot, um ihren 40. Geburtstag zu feiern. „Sven Junghans war so unkompliziert und zuvorkommend bei der Planung, wie wir uns das nur wünschen konnten.“ „Man kann mit seinen Lieben feiern, während die imposante Skyline vorüberzieht
Urlaubsgefühle auf der Fähre 35 Die Sorge, dass die Fähre einmal nicht mehr fahren könnte, teilen viele Fahrgäste, die sie regelmäßig nutzen, denn es ist noch gar nicht so lang her, da wurden 2017, ein paar Mainkiund als Highlight die Lieblingsmusik auflegen, zu der man – abends sogar mit Lichtanlage – tanzen kann. Obendrein unterhält Sven Junghans die Gesellschaft auch mit interessanten Informationen zur Schifffahrt auf dem Main und zur Stadt Frankfurt, wenn beispielsweise die Griesheimer Schleuse befahren wird.“ Sven Junghans hat das Potenzial der Fähre erkannt. Und so ist die „Walter Kolb“ durch das umfangreiche Angebot ihres Schiffsführers mehr als nur ein reines Transportmittel. Sie bringt Menschen zusammen und das auf ganz einzigartige Weise. Für die Skyline- und die Charter-Touren gilt das sowieso. Aber auch während der kurzen Fahrt von Höchst nach Schwanheim sind Fährmann und Fahrgäste manchmal für sehr kurze Zeit besonders miteinander im Gespräch. „Für zwei Minuten bin ich manchmal Seelsorger“, berichtet Sven Junghans. Ich erfahre, was die Menschen bewegt. Manche erzählen von ihrer Krankheit, weil sie am anderen Ufer gleich einen Arzttermin haben. Manche setzen aufgeregt von Schwanheim über, weil sie nach Höchst zum Standesamt wollen, um dort zu heiraten. Da frage ich vorsichtshalber auch mal, ob sie denn auch die Ringe dabei haben“, plaudert Sven Junghans Herrlicher Blick: Wenn die Mainfähre in Schwanheim anlegt, dann haben die Gäste eine gute Sicht auf das Höchster Ufer mit der Justinuskirche. FOTO: CARSTEN KAYSER schmunzelnd aus dem Nähkästchen. Genau diese Art ist es, die die Fahrgäste so mögen: „Wir schätzen den familiären Charakter der Fahrten, das Reisen auf dem Wasser, das Herzblut, mit dem Sven Junghans die Fähre betreibt und den Menschen begegnet und wir hoffen, dass diese einzigartige Institution der Stadt Frankfurt noch lange erhalten bleibt“, sagen die beiden Frankfurter Corinna und Carsten Kayser. Einige Fähren wurden wegen finanziellen Defiziten und Personalmangel eingestellt Hat alles im Griff: Fährmann Sven Junghans steuert die Frankfurter Mainfähre durch sicheres Fahrwasser. FOTO: CHRISTINA LANGENBAHN lometer stromaufwärts, ähnliche Sorgen Wirklichkeit. Damals stellte die Mainfähre zwischen Mühlheim und Maintal ihren Dienst ein. Zu groß war das finanzielle Defizit für den Kreis Offenbach geworden. 2019 gab es kurz eine neue Fährverbindung, aber noch am Tag der Wiederaufnahme riss ein zum Fahren wichtiges Seil – der Betrieb wurde endgültig eingestellt. Seitdem müssen Mühlheimer und Maintaler Umwege über Offenbach oder Hanau fahren, um in den Nachbarort zu gelangen. Das kann unter Umständen 30 Minuten dauern, die Fähre brauchte zwei. Seit Jahren setzt sich die in beiden Kommunen tätige Bürgerinitiative (BI) Mainfähre für eine Wiederaufnahme der Fährverbindung ein. Die Stadtwerke Mühlheim kündigten kürzlich sogar ihre Unterstützung für das Projekt an. Bis Ende des Jahres soll eine Machbarkeitsstudie vorliegen, die prüft, ob die Pläne der BI zur Anschaffung einer Elektrofähre tatsächlich umgesetzt werden könnten. Auch zwischen Kelsterbach und Hattersheim Okriftel fährt seit dem unerwarteten Tod des Fährmanns im Jahr 2022 keine Fähre mehr. Ob der Betrieb in Zukunft wieder aufgenommen werden kann, ist unklar. Abgesehen von den hohen Kosten ist es auch sehr schwer, einen Fährmann zu finden. „Das Fährpatent ist mittlerweile viel schwieriger zu erlangen“, erklärt Sven Junghans. „180 Tage sind dazu nötig, das sind Anforderungen wie an das große Rheinpatent.“ Ebenfalls stromaufwärts gibt es im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung aber auch zwei aktive Fähren, die regelmäßig Fahrgäste transportieren. Zwischen Offenbach-Rumpenheim und Maintal quert die Mainfähre Rumpenheim, die, im Gegensatz zur Höchster Mainfähre, auch Autos aufladen kann. Und davon gibt es viele, die täglich oder mehrmals die Woche übersetzen, denn die nächsten Autobrücken liegen gut fünf Kilometer weiter am Hafen in Offenbach und neun Kilometer weiter in Hanau-Steinheim. Die Fähre ist seit 60 Jahren im Besitz der Familie Dill und wird privat in Form einer GmbH betrieben. Sie muss deshalb ohne öffentliche Zuschüsse auskommen. In Seligenstadt setzt die Mainfähre „Stadt Seligenstadt“ Fußgänger, Radfahrer und Autos ins bayerische Kahl und Karlstein über. Seit dem neunten Jahrhundert gibt es in Seligenstadt eine ständige Verbindung über den Main, da das ortsansässige Kloster das Recht hatte, Personen und Güter auf die andere Mainseite zu befördern. Heute sind die Verwaltungskosten hoch, die Fähre fährt Verluste ein. Deshalb steht zur Diskussion, ob nicht lieber eine Brücke über den Main gebaut werden oder ob die Fähre von einer privaten Firma betrieben werden sollte, um Kosten zu sparen. Sven Junghans hofft derweil das Beste für seine Frankfurter Fähre. Er hängt an ihr und möchte am liebsten bis zur Rente ihr Schiffsführer sein. „Ich erlebe die Jahreszeiten hier an Bord ganz intensiv, bin Sonne, Regen, Schnee und Wind ausgesetzt“, schwärmt er. Seine Fahrgäste jedenfalls hoffen sehr, dass „ihre Fähre“ noch viele Jahresläufe in Betrieb ist, egal ob bei Sonne oder Regen – aber auf jeden Fall mit Sven Junghans an Bord.
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