38 Klar zum Schleusen Die Schleuse kann aufgrund ihrer Länge von mehreren Schiffen gleichzeitig genutzt werden. Das nächste Schiff kündigt sich an – Schleusenbetriebsstellenleiter Thomas Wagner an seinem Arbeitsplatz. FOTOS: SCHEIBER „Admiral“ auf Talfahrt Ein Besuch beim Chef der Schleusen Mühlheim/Offenbach VON KERSTIN BIEHL Das wird eng, denn die „Admiral“ ist breit. Genauer gesagt misst sie 11,40 Meter von Steuer- bis Backbord. Für den Kapitän des Frachters ist jetzt Millimeterarbeit angesagt. Er hat bei Schleusenbetriebsleiter Thomas Wagner vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main über Funk eine Talfahrt angemeldet. In der Sprache der Schiffer und Schleuser heißt dass, er möchte mit seinem Schiff die Schleuse Mühlheim flussabwärts passieren. Die Schleuse darf von maximal 11,45 Meter breiten Schiffen benutzt werden. Dafür, dass es folglich wenig Spielraum zwischen Schiff und Kaimauer beziehungsweise Schleusenwand gibt, ist die „Admiral“ flott un- Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main Im Schleusenbecken gibt es oben und unten jeweils ein Tor. Um Wasser in das Schleusungsbecken zu lassen, wird um die Tore herum ein Verschluss geöffnet. Um das Becken ist ein Kanal mit Umlaufverschluss. Dadurch fließt das Wasser von oben so lange ins Becken hinein, bis der Wasserstand der Höhe von oben entspricht – oder umgekehrt, wie im Fall der „Admiral“. Hier muss das Wasser aus der Schleuse ablaufen. „Das ist wie, wenn ich bei einer Badewanne den Stöpsel ziehe. Die Umlaufverschlüsse werden geöffnet, das Wasser fließt raus, bis der Wasserstand dem Unterwasser angeglichen ist. Dann sprechen wir vom Wasserausgleich“, erklärt Wagner. Dieser Vorgang dauert eine gute Viertelstunde. Währenddesterwegs – hier scheint Routine im Spiel zu sein. „Mit dieser Breite kann das Schiff gerade noch so einfahren“, sagt Thomas Wagner. Der Schleusenbetriebsleiter steht an seinem Schreibtisch. Vor ihm sind zahlreiche Monitore, über die er das Geschehen in den Schleusen Mühlheim und Offenbach über fernsteuerbare Kameras verfolgt. Mit einem Joystick kann er diese ansteuern, kann bei Bedarf näher heranzoomen und über ein fest installiertes Mikrofon mit den Schiffsführern per Funk Kontakt aufnehmen. Der Clou: Von seinem Arbeitsplatz aus hat Wagner keinen direkten Blickkontakt zur Schleuse. Weder zu der in Offenbach, auf deren Gelände sein Büro Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main ist für den 387 Kilometer langen Abschnitt des Mains als Bundeswasserstraße zuständig. Zur Bundeswasserstraße gehören der Fluss und – soweit sie im Eigentum des Bundes stehen – Ufer, Betriebswege, Häfen und Betriebsanlagen. Um einen reibungslos fließenden und damit wirtschaftlichen Schiffsverkehr zu ermöglichen, betreibt und unterhält die Wasserstraßenund Schifffahrtsverwaltung in ganz Deutschland die Bundeswasserstraßen und die dazugehörigen Anlagen (Schleusen, Wehre, Schiffshebewerke, Brücken) und baut sie bedarfsgerecht aus. Ferner beraten, unterstützen und lenkt sie den Schiffsverkehr durch Fachpersonal in den Verkehrs- und Revierzentralen. Das Leitmotiv: Mobilität ermöglichen und die Umwelt schützen. 34 Schleusen werden am Main von insgesamt acht Leitzentralen betreut. Mithilfe der Schleusen wird von Kostheim bei Mainz bis Viereth bei Bamberg eine Differenz von insgesamt 146,9 Höhenmetern ausgeglichen. zwar liegt, und erst recht nicht zur Schleuse Mühlheim, ein paar Kilometer flussaufwärts. „Es funktioniert in der Tat alles nur noch über Monitore, Funk und Telefon“, erklärt Wagner, der nach der Schule auf Anraten des Vaters eine Ausbildung zum Wasserbauwerker gemacht hat und sich weiter zum Beamten im Schleusendienst hat ausbilden lassen. Seit 2011 ist der gebürtige Westfale Betriebsstellenleiter der Leitzentrale Offenbach an der dortigen Staustufe. Staustufen sind – wie der Name schon sagt – zunächst einmal da, um Wasser aufzustauen. Wenn der Main früher normal Wasser hatte, konnten Güter mit dem Schiff transportiert werden. Gab es eine Trockenperiode mit entsprechend wenig Wasser, war Schiffsverkehr nicht möglich. So kam die Idee der Aufstauung des Flusses, um Schifffahrt dauerhaft zu ermöglichen. Diese Funktion übernimmt das Wehr. Es sorgt für einen immer gleichbleibenden Wasserstand und ermöglicht eine fortwährende Befahrbarkeit. Alle zehn bis 15 Kilometer gibt es eine solche Staustufe, insgesamt 36 auf dem Main. Dabei wird ein Höhenunterschied zwischen drei und sechs Metern überwunden. Die „Admiral“ meldet sich erneut aus dem Funkgerät, mit „Haben fest“– das Schiff ist mit also mit einem Tau an Land verankert, um zu verhindern, dass es an die Kammerwand prallt. Dann heißt es „Klar zum Schleusen“ für die „Admiral“, die aus dem Hanauer Hafen kommt, wo sie Ladung gelöscht hat. Für den Betriebsleiter ist dies das Signal dafür, auf die Schaltfläche „Talschleusung“ zu drücken. Das bewirkt das Schließen der oberen Schleusentore – aus den unteren wird folglich das Wasser langsam herausgelassen, sodass das Schiff auf das Wassserniveau unterhalb der Schleuse abgesenkt wird.
Klar zum Schleusen 39 sen meldet sich die „Nomadisch III“ für eine Bergfahrt an. Weil die Schleuse aber gerade belegt ist, muss das Schiff zunächst im Schleusenvorhafen warten. „Unsere Leitzentrale in Offenbach ist von hier bis Krotzenburg für Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffverkehrs zuständig“, erklärt Wagner. Was das bedeutet? Dass Schiffe ungehindert auf dem Main fahren können: „Wenn zum Beispiel Baumstämme auf dem Main schwimmen oder sich Personen im Wasser befinden, müssen wir die Schiffe dazu anhalten festzumachen, bis die Gefahr vorüber ist.“ Inzwischen ist die Schleusenkammer mit der „Admiral“ ge- Ein beeindruckendes Bauwerk: die Staustufe Offenbach. leert, der Wasserspiegel ist dem des Mains unterhalb der Schleuse angeglichen. Knapp vier Meter ging es für die „Admiral“ nach unten. Ein Gong ertönt. Die Schleusentore öffnen sich, eine dort befestigte Ampel springt auf Grün um, und die „Admiral“, die inzwischen ihre Taue wieder gelöst hat, kann ausfahren, weiter flussabwärts, dem Rhein entgegen. Bisweilen geht es im Schleusenkanal ausgesprochen eng zu. Geschichte der Staustufen Ein Blick in die Geschichte: 1883 begann der Ausbau des Mains. Damit sollte die Anbindung an die Rheinschifffahrt gesichert werden. Heute ermöglichen von der Mündung bis Miltenberg elf Anlagen, teils mit Sportbootschleusen und Fischtreppen, eine freie Fahrt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Mühlheim eine Staustufe und ein im Main stehendes Wasserkraftwerk gebaut. Wegen der markanten Architektur hatte es den Beinamen „Kirche im Main“. Beim weiteren Mainausbau wurde die Staustufe Mühlheim erneuert. Die neue Schleusenanlage (Länge: 300 Meter, Breite: zwölf Meter, Fallhöhe: 3,77 Meter) wurde 1980 in Betrieb genommen und später mit einem Wehr und einer Bootsschleuse ergänzt. Das alte Wasserkraftwerk wurde 1989 abgerissen und durch eine moderne Anlage mit zwei Turbinen und einer Leistung von 4800 Kilowattstunden ersetzt. Um die Kanalisierung des Mains bis Offenbach voranzutreiben, wurde die Staustufe Offenbach in den Jahren 1898 bis 1900 als sogenanntes Nadelwehr erbaut. Sie hatte ein Schleusenbecken und eine Floßrutsche. In den Jahren 1949 bis 1953 wurde die Offenbacher Staustufe umgebaut, die Einweihung fand im Juni 1953 statt. Im Jahr 1957 wurde die Anlage noch einmal um eine Selbstfahrerschleuse und 1967 um eine Bootsschleuse erweitert. In den vergangenen Jahren gab es an der Staustufe umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Die Staustufen Offenbach und Mühlheim gehören zur Route der Industriekultur Rhein-Main. www.rs-schnitzer.de
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