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MAINfeeling Frühling 2023

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mit Repressalien, die

mit Repressalien, die Vorbereitungen wurden überwacht, anschließend ließ man einige der Redner verhaften und verhören. Alle öffentlichen Versammlungen und Volksfeste mit politischem Charakter wurden verboten. In diese Stimmung hinein verfasste der damalige 21-jährige Medizinstudent Georg Büchner 1834 den Hessischen Landboten, eine der bis heute berühmtesten sozialrevolutionären Flugschriften der deutschen Geschichte. Das achtseitige Flugblatt war der Aufruf zum bewaffneten Aufstand an das einfache Volk, das mit dem Schlachtruf „Friede den Hütten, Kampf den Palästen“ berühmt wurde. Gedruckt wurde es, wegen seines kritischen Inhalts natürlich im Geheimen, in der Druckerei Brede in Offenbach. Zuvor aber ließ Büchner es von dem Butzbacher Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig überarbeiten. Einige Mitstreiter Büchners hatten das Manuskript heimlich zu ihm in den Taunus gebracht. Das Netzwerk der Revolutionäre entspann sich schon damals über das gesamte Rhein-Main-Gebiet – und das ganz ohne Telefon und Internet. Ermordung des Fürsten Lichnowsky und des Generals von Auerswald Mistgabeln bewaffnet zur Jagdverwaltung in die Stadt, um schlicht ihr Überleben zu sichern. Sie wollten erreichen, dass die Abgaben an die örtlichen Fürsten abgeschafft und ihnen erlaubt würde, in den Wäldern des Adels wenigstens Brennholz zu sammeln. Müller, der mitgezogen war, überzeugte sie, eine Petition an die Nationalversammlung zu richten, und konnte so ein Blutvergießen verhindern – zumindest für den Moment. Doch nicht nur für die Bauern bedeutete der Kampf um mehr Rechte, dass sie Leib und Leben aufs Spiel setzten. Jeder, der sich bereits ab 1830 für Demokratie und Freiheit einsetzte, den die Lust an der Partizipation gepackt hatte, riskierte dafür mindestens seine Existenz. Schon mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft im deutschen Raum im Jahr 1815 hatten viele Menschen die Hoffnung verbunden, dass die nationale Einheit Deutschlands, gründend auf einem freiheitlichen Staat, zu realisieren sei. Dafür gingen die Menschen auf die Straße. Doch die Fürsten reagierten mit staatlicher Gewalt, etablierten ein System aus Unterdrückung, Bespitzelung und Zensur, um ihre Macht zu sichern. MANIFEST IN BÜCHSEN ZUM DRUCKER GESCHMUGGELT In der Nacht zum 5. Juli 1834 brachte die Gruppe um Büchner das Manuskript, in Botanisierbüchsen zum Pflanzensammeln versteckt, von Butzbach zur Druckerei nach Offenbach. Was heute nach einer kurzen Fahrt klingt, war damals eine gefährliche Reise, die zu Fuß, per Pferd oder Kutsche zurückgelegt wurde. Vier Tage lang war die Gruppe unterwegs, auch, um ein möglichst lückenloses Alibi für spätere Verhöre der Staatsgewalt sicherzustellen. Der Offenbacher Drucker Carl Preller stellte rund 1.500 Exemplare des Landbotens her, die bis nach Darmstadt, Butzbach und Gießen verteilt wurden. Auch dort leistete ein Spitzel der Regierung ganze Arbeit. Einer der Studenten wurde mit 139 in Rock und Stiefel versteckten Exemplaren erwischt und verhaftet. Der Drucker Preller konnte der folgenden Hausdurchsuchung gerade noch zuvor- Der Abgeordnete Rössler verkündet den Waffenstillstand. REVOLUTIONÄRES NETZWERK SPINNT SICH DURCH DIE REGION Im Nachbarland Frankreich hatten sich 1830 Bürgertum und Unterschicht gegen die Einschränkung parlamentarischer Rechte erhoben. Bereits die dortige Julirevolution entfachte in Deutschland einen ersten Freiheitskampf. Auf dem Hambacher Schloss in der Pfalz versammelten sich Ende Mai 1832 rund 30.000 Menschen und forderten „vereinigte Freistaaten Deutschlands“ mit einer republikanischen Verfassung. Knapp einen Monat später kamen erneut 10.000 Menschen im Staatspark Wilhelmsbad in Hanau zusammen, um sich für Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen. Doch die Fürsten reagierten erneut Abb.: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main

STORY 24 | 25 Der Frühling kommt. -neue Kollektionkommen und die restlichen Drucke gut verstecken. So wurden sie nicht gefunden und konnten später noch verteilt werden. Der Hessische Landbote galt auch 1848, da war der ebenfalls verfolgte und geflohene Georg Büchner bereits elf Jahre tot, weiter als wichtiges Manifest der Revolution. Auf zu ImmoGarten! Als die Abgeordneten in der Paulskirche bereits um eine neue Verfassung rangen, kam es erneut zu blutigen Auseinandersetzungen. Diesmal sogar mitten in Frankfurt. Grund dafür war die erste Parlamentskrise durch den Krieg gegen Dänemark. Ein erzwungener Waffenstillstand führte den Abgeordneten ihre politische Ohnmacht vor Augen und dazu, dass die enttäuschten revolutionären Kräfte, unter ihnen viele Arbeiter, Bauern und Handwerker, die Paulskirche stürmen wollten. Als dies verhindert wurde, errichteten sie Barrikaden auf der Zeil, am Römerberg und am Main. Es begann ein blutiger Straßenkampf zwischen ihnen und den vom Parlament selbst herbeigerufenen Soldaten. 80 Aufständische starben im Kugelhagel. Zwei Abgeordnete, die sich vor das Friedberger Tor gewagt hatten, wurden von den Revolutionären umgebracht. Der Aufstand leitete den Niedergang der Nationalversammlung ein, die ihre Unterstützung im Bürgertum und bei den Arbeitern verloren hatte. Gartenmöbel bei ImmoGarten STURM AUF DIE PAULSKIRCHE Berühmt geworden ist durch diesen Aufstand ausgerechnet eine Frau: die 35-jährige Henriette Zobel. Ihr Fall zeigt, wie willkürlich die Staatsmacht damals gegen die Aufrührer vorging. Die Ehefrau eines Bornheimer Lithografen war, wie viele Frauen damals, politisch interessiert, nahm an Versammlungen teil und verfolgte die Debatten in der Paulskirche. Sie war zugegen, als die beiden Abgeordneten am Friedberger Tor ermordet wurden. Ein zeitgenössisches Bild zeigt eine Frau, die mit einem Regenschirm auf einen der verwundeten Abgeordneten einschlägt. Die Presse bezeichnete sie als „Furie“. Zobel wurde als eine der Rädelsführerinnen des „mörderischen Komplotts“ verhaftet. Sie verbrachte sieben Jahre unter unzumutbaren Bedingungen in Untersuchungshaft, bis der Prozess abgeschlossen war. Das Gericht verurteilte sie schließlich zu 16 Jahren Zuchthaus. Erst 1865 kam sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands frei. Das Corpus delicti, der Regenschirm, ist bis heute im Historischen Museum erhalten. Ihre Geschichte ist nur ein Beispiel dafür, dass die Menschen damals bereit waren, für ihre Freiheit ihr Leben zu riskieren. Nur durch Gewalt und brutale Unterdrückung gelang es den Fürsten, die breite Demokratiebewegung niederzuschlagen und ihre Macht zu erhalten. Die Ideen der freiheitlichen Verfassung aber leben weiter in der Weimarer Verfassung und unserem heutigen Grundgesetz. Ihre Baumschule im Rhein-Main Gebiet Adresse: Silostraße 59–63 65929 Frankfurt am Main Die Autorin hat ein Buch über die Demokratiebewegung im Rhein-Main-Raum mit dem Titel „Routen der Freiheit“ geschrieben. (Societäts-Verlag, 16 Euro) Telefon: 069 373915 Öffnungszeiten: Mo bis Fr 8 bis 18 Uhr, Sa 8 bis 14 Uhr