PORTRÄT 37 GOLDENE DEMOKRATIE MIT WELTSCHMERZGARANTIE DIE GESCHICHTE LISSABONS IST VON ZERSTÖRUNG, ABER AUCH WIEDERAUFBAU GEKENNZEICHNET; NICHT ZULETZT DIE EXPO 1998 HAT SO MANCHEM STADTVIERTEL ZUM AUFSCHWUNG VERHOLFEN. HEUTE ÜBERZEUGT PORTUGALS METROPOLE MIT TRADITIONELLEM CHARME UND KULTURELLER VIELFALT. Von Stephanie Kreuzer Im ersten Augenblick denkt man, einen Asterix-Comic vor sich zu haben, aber es sind die wichtigsten geschichtlichen Stationen Lissabons, die in knalligen Farben mitten in der Altstadt an die Wände einer kleinen Unterführung gezeichnet wurden. Ein bedrohlich fett gedrucktes „Brrrrrrrrrrr“ auf rotem Hintergrund beschreibt so lautmalerisch wie simpel die wahrlich umwälzenden Ereignisse des 1. November 1755: Ein gewaltiges Erdbeben, gefolgt von einem Großbrand und einem Tsunami, zerstörte die portugiesische Hauptstadt nahezu vollständig, rund ein Drittel der 275.000 Einwohner kam ums Leben. Zudem gingen viele Kunstschätze, Bücher und Dokumente rund um die Expeditionen von Seefahrern wie Vasco da Gama verloren. Verschont blieben nur das damalige Rotlichtviertel, die Alfama, sowie die Oberstadt Lissabons. ZEUGNISSE VON ENTDECKERMUT, KAMPFGEIST UND AUFBRUCHSTIMMUNG ← Padrão dos Descobrimentos, das Entdeckerdenkmal mit „Brücke des 25. April“. Die Auswirkungen dieser verheerendsten Naturkatastrophe der europäischen Geschichte sind in einem interaktiven Museum eindrucksvoll dokumentiert: „Das ‚Lisboa Story Centre‘ lässt virtuell in die Vergangenheit reisen und zeigt sowohl die Zerstörung als auch den ehrgeizigen Wiederaufbau nach den Plänen des damaligen Premierministers Marquês de Pombal zu einer modernen ‚Stadt des Lichts‘. Hölzerne Schiffsmodelle und historische Weltkarten rücken die ruhmreiche Epoche der Entdecker und Eroberer ins Zentrum, auch wenn weniger rühmliche Aspekte der Kolonialzeit unerwähnt bleiben. Auf jeden Fall aber ein multidimensionales Erlebnis für alle Sinne. Über 200 Jahre später erschütterte ein weiteres Beben ganz anderer Art nicht nur die Stadt an der Tejomündung, sondern das ganze Land: Am 25. April 1974 beendete ein weitgehend widerstandsloser Putsch durch hochrangige Angehörige des Militärs quasi über Nacht die schon mehr als 40 Jahre andauernde autoritäre Diktatur. Gerade mal gut 17 Stunden reichten den Aufständischen aus, um die „Heimat zu befreien“ und den Aufbruch in die Demokratie einzuläuten, bis hin zu den ersten freien Wahlen. Die feiernde Bevölkerung steckte den Soldaten rote Nelken in die Gewehrläufe, und mit diesem Symbol hat sich die „Nelkenrevolution“ als besonders friedlich in den Geschichtsbüchern verewigt. Auch wurde einem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt, das schon 1966 erbaut worden war, ein neuer Name gegeben: Die „Brücke des 25. April“, die den Tejo zwischen Lissabon und Almada überspannt, erinnert an diesen denkwürdigen Tag – der damals auch weitreichende, politische Veränderungen in Griechenland und Spanien auslöste. Die Soldatin mit der Nelke im Gewehrlauf ist ein beliebtes Streetart-Motiv.
Laden...
Laden...