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L iebe, Leidenschaft und

L iebe, Leidenschaft und SehnsuchtUNSERE AUFFASSUNG DAVON IST STARK VON DER ENDE DES18. JAHRHUNDERTS BEGINNENDEN EPOCHE DER ROMANTIKGEPRÄGT. IM DEUTSCHEN ROMANTIK-MUSEUM, DIREKT NEBENDEM GOETHEHAUS, KÖNNEN SICH DIE BESUCHER AUFIHRE SPUREN BEGEBEN UND FESTSTELLEN,WIE STARK DIE BEWEGUNG BEREITSKÖRPERLICHES BEGEHREN MIT EINSCHLOSS.Von Sabine Börchers und Jonas Ratermann (Fotos)Liebe – Gefühl – Sehnsucht – Freundschaft, dieseBegriffe sind im zweiten Stock des DeutschenRomantik-Museums prominent an einer Wand zulesen. Ihre jeweilige Größe weist darauf hin, wieoft sie in dem 1799 erschienenen Roman „Lucinde“von Friedrich Schlegel vorkommen. Er gilt als dasSchlüsselwerk der Romantik, in dem sich Schlegelgrundlegend mit Liebe und Partnerschaft auseinandersetzteund auch das Thema Begehren nichtaussparte. So heißt es bereits im ersten der insgesamt13 Teile des Buches: „Ein feines Feuer strömtedurch meine Adern; was ich träumte, war nichtetwa bloß ein Kuss, die Umschließung deiner Arme,es war nicht bloß der Wunsch, den quälendenStachel der Sehnsucht zu brechen und die süßeGlut in Hingebung zu kühlen; nicht nach deinenLippen allein sehnte ich mich, oder nach deinenAugen, oder nach deinem Leibe: sondern es wareine romantische Verwirrung von allen diesenDingen, ein wundersames Gemisch von den verschiedenstenErinnerungen und Sehnsuchten.“Schlegel denke die körperliche Liebe in seinemBuch immer mit, erläutert Prof. Dr. WolfgangBunzel, Leiter der Abteilung Romantik-Forschungim Freien Deutschen Hochstift, das seit seinerEröffnung 2021 das Deutsche Romantik-Museumbetreut. Bunzel arbeitet mit einem Team geradedaran, eine sogenannte „Themenspur“ zurRomantischen Liebe im Museum zu legen. DieBesucher sollen sich künftig je nach Interesse speziellzu diesem und weiteren Themen wie Naturoder Politik durch das Haus bewegen können.Die Spur beginnt bei der Jenaer Frühromantik derBrüder Schlegel, die die Zeitschrift Athenaeum herausgaben.Für den 27-jährigen Friedrich SchlegelProf. Dr. WolfgangBunzel vorden Worten ausdem „Blutbrief“von Clemensvon Brentano.

STORY 16 | 17Fotos: Siegel und Hand: Freie Deutsches Hochstift,Alexander Paul Englertgehörten die romantische und die körperlicheLiebe zusammen: „Diese ist für ihn aber nur dannerfüllend, wenn auch ein geistiges Band da ist.Erotik, Sexualität und der geistige Austauscherzeugen eine Nähe in doppelter Hinsicht“, sagtBunzel. Eine Voraussetzung für eine solche Innigkeitsei die Ebenbürtigkeit von Mann und Fraugewesen. Damit findet sich im Roman erstmalsauch eine Umkehr der historischen Geschlechterverhältnisse. „Lucinde ist die alleinerziehendeFrau, sie ist älter und gilt als frei in ihrer Erotik.“Schlegel schaffe damit schon damals ein modernesBild des Mannes, der sich nicht mehr nurüber maskuline Tugenden definiere.SEXUALITÄT UND GEISTIGER AUSTAUSCHSo theoretisch das klingt – und der Roman erregtezur damaligen Zeit viel Aufsehen –, für Schlegelwar er äußerst lebensnah. Denn der Schriftstellerwohnte 1799 für ein halbes Jahr mit seinem BruderAugust Wilhelm, dessen Frau Caroline und seinerLebensgefährtin Dorothea Veit in einem gemeinsamenHaushalt, quasi in einer Vierer-Wohngemeinschaft,wie ein mithilfe von Comiczeichnungengestalteter Film in der Ausstellung ausführlichzeigt. „Sie haben als Paar in wilder Ehe gelebt,Dorothea Veit war etwas älter, geschieden, hatteeinen unehelichen Sohn. In einer kleinen Stadt wieJena war diese Vierer-Wohngemeinschaft ohneKonventionen ein Skandal“, erläutert WolfgangBunzel. Und vielen war klar, dass Schlegel in seiner„Lucinde“ auch Dorothea Veit porträtierte.Gleich nebenan können die MuseumsbesucherAusschnitte aus dem Roman nicht nur lesen, siekönnen sie sinnlich erfahren. An einer Stelle desRaumes, der mit Fußabdrücken markiert ist, wirdihnen Erotik und Begehren buchstäblich auf dieHaut geschrieben. Ein Lichtstrahl projiziert Sätzewie „In den geschwollnen Adern tobt das wildeBlut, der Mund durstet nach Vereinigung (…)“,direkt auf die Hand.ROMANTIK ALS EXPERIMENTIERFELDSchon nach diesen wenigen Stationen in derAusstellung wird deutlich, dass die Frühromantikereine neue Form der Liebe propagierten. „Siehaben viel ausprobiert, im Leben und in der Kunst.Die Bewegung war ein großes Experimentierfeld.“Erprobt wurde dieses neue Lebensmodellzunächst im kleinen Kreis. „Aber indem siedarüber dichteten und es zugleich Stadtgesprächwar, sickerte es nach und nach auch nachaußen“, berichtet Wolfgang Bunzel und führt einpaar Schritte weiter zu dem romantischen Vagabundenund Lebenskünstler Clemens Brentano,der seine Kindheit und Jugend in Frankfurtv erbrachte und der ebenfalls mit neuen Umgangsformenexperimentierte.Bei seiner Schwester Bettine lernte er Karolinevon Günderrode kennen, die mit 17 Jahren in dasadelige Cronstett-Damenstift am Roßmarkt eingetreten,aber offenbar dennoch ein Freigeist war.„Sie schreibt unter anderem, sie hätte Begierdenwie ein Mann und würde sich dessen Freiheitenwünschen“, berichtet Bunzel. Brentano testet sie,indem er ihr, seinem „Engelchen“, 1802 einen Briefvoller wüster sexueller Fantasien schreibt, indenen er sich die Adern aufbeißen und das Blutaus ihren trinken will. Diese drastischen Wortesind in der Ausstellung in einer schallgeschütztendunklen Kabine zu hören und verursachen nochheute einen Schauer auf der Haut. Nebenan ist derBrief groß auf der Wand abgedruckt, mit seinemSiegel, der einen Engel zeigt. „Es ist der extremsteBriefinhalt, den wir kennen, und ist heute als,Blutbrief‘ bekannt“, sagt Bunzel. Erst am Endedeute Brentano an, dass er seine Adressatinbewusst schockieren wollte. „Und sie pariert dasauf bewundernswerte Weise. Sie hat ihn durchschautund hält dem stand.“EIN FREI GEWÄHLTES ENDEDass Romantiker buchstäblich bis an die existenziellenGrenzen gingen, zeigt das Museum nocheinmal anhand von Karoline von Günderrode imnächsten Raum. Einige Jahre nach dem besagtenBlutbrief hatte sie sich in den Altphilologen FriedrichCreuzer in Heidelberg verliebt. „Er war ihrLebensmensch, ihr idealer Partner, aber er warverheiratet“, erzählt Bunzel. Beide lebten heimlicheine intensive Liebesbeziehung und schworensich, dass das Leben keinen Sinn mehr mache,wenn sie nicht zusammen sein könnten. DochCreuzer bricht das Gelübde. „Er trennt sich nichtvon ihr, schreibt ihr aber, dass er seine Frau nichtverlassen wird.“ Daraufhin erdolcht sich die Verschmähte1806 am Ufer des Rheins. „Selbstmordist dafür das falsche Wort, es war ein Freitod, einDie Worte ausSchlegels Roman„Lucinde“ werdenden Museumsbesuchernauf dieHaut geschrieben.

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