20 STORY so, wie wir sein sollten oder könnten. Das schaffen die ganzen Pulver oder Ess-Pläne nicht. Sie sind vielmehr hoch gradig gefährlich. Denn sie vermitteln jemandem, der an Selbstwert ziemlich eingebüßt hat: Wir wissen, was für dich gut ist! Sie vermitteln das Gefühl, wenn du an der Wand bist, dann gebe ich dir eine Leiter und dann kannst du über die Wand springen. Dahinter aber ist wieder eine Wand. Ich denke, wenn Leute mal ein paar Wände hinter sich haben, dann kommen sie hierher und dann ist meine Aufgabe nicht, die nächste Leiter aufzustellen, sondern meine Aufgabe ist, ihnen so viel Düngemittel zu geben, dass sie wie ein Baum wachsen. LÖSUNGEN GIBT ES EBEN NUR VON INNEN. Klient zu mir kommt, dann interessiert ihn wenig, was für einen BMI er hat. Was ihn interessiert, ist das deformierte Selbstbild, unter dem er leidet, das Gefühl, sich in seiner Haut nicht mehr wohlzufühlen, eine Grenze überschritten zu haben. Das ist individuell sehr verschieden. Aber sicher ist es schon ein Indikator, wenn ich ein Vermeidungsverhalten bei mir feststelle – wenn ich nicht mehr schwimmen gehe, nicht mehr in die Sauna, wenn ich merke, mein Spielraum ist viel kleiner geworden und alles dreht sich nur noch um das Thema „Waage“. WIR BRAUCHEN FÜR UNSERE EIGENE KÖRPERENTWICKLUNG NICHT NUR REGELN, SONDERN AUCH AKZEPTANZ. SIND MENSCHEN, DIE SICH NUR VON GESUN- DER KOST ERNÄHREN, VOR ESSSTÖRUNGEN GEFEIT? Wenn ich Lebensmittel in Gut und Böse unterscheide, lebe ich insgeheim mit der Angst, vergiftet zu werden. Einige sind der Meinung, dass sie sich vergiften könnten – dabei vergiften sie sich überwiegend mit ihrer Einstellung und nicht durch das Essen. Und das ist natürlich auch eine Ebene, die zu Essstörungen führt, wenn wir anfangen, eine Liste zu führen, was gefährlich sein könnte. Das ist eine andere Ebene, die ursprünglich scheinbar gesund erscheint, aber unheimlich krankmachend ist, weil man sie obsessiv betreibt. Immer wenn ich anfange, meine Leidenschaft zu verwalten – fängt es an, kritisch zu werden. WIE STEHEN DIE CHANCEN, EIN ÜBERGEWICHT DURCH EINE DIÄT ZU REGULIEREN? Ich halte Diäten für eine Bewältigungsstrategie. Für den Versuch, meine innere Wirklichkeit über diese Art von Kontrolle zu stärken. Das Problem ist bloß: Wir brauchen für unsere eigene Körperentwicklung nicht nur Regeln, sondern auch Akzeptanz. Wir werden älter, unsere Körper verändern sich. Es gehört zu unserer Entwicklung auch, dass wir uns so sehen, wie wir sind, und nicht nur WAS GENAU MACHEN SIE IN EINER BERA- TUNG? Ich schaue mir erst mal an, wie das Gewicht sich verändert hat, wie der Mensch sich körperlich wahrgenommen hat. die Diät-Biografie. Es ist erstaunlich, wie viele schon erste Maßnahmen ergriffen hatten, als noch gar keine Gewichtsprobleme vorlagen. Gemeinsam schauen wir auf die Selbstentwertung, die Desorientierung, die so ein Geschehen immer begleitet. Ich staune immer, wie Menschen an der Überzeugung festhalten, dass eine Diät die einzige Hoffnung ist. Wie sie immer weiter suchen nach dem Abspeck-Wunder. Egal, wie oft sie die Erfahrung machen, dass es das nicht gibt. WIE REAGIEREN MENSCHEN, DIE JA OFT SICHER SEHR LANGE MIT DIESER HOFFNUNG UND FÜR DIESE GELEBT UND GEDARBT HABEN? Sie sind erstaunt, überrascht und manchmal entsetzt. Sie sagen: „Es kann doch nicht sein, dass Sie mir diese Hoffnung nehmen!“ Sie wehren sich dagegen, Denken und Körper kooperieren zu lassen, um die Selbstentfremdung wahrzunehmen und wieder zu sich selbst zu kommen. SIE NEHMEN IHNEN JA AUCH ETWAS SEHR TRÖSTLICHES WEG – DAS ÜBERGANGSOBJEKT, VON DEM SIE ANFANGS SPRACHEN … Zugegeben: Es ist vielleicht das Schwierigste überhaupt, zu erfahren, dass wir auf uns angewiesen sind. Dass wir allein sind und es im Außen eben nichts gibt, das uns retten wird. Aber Lösungen gibt es eben nur von innen. In dem Moment, in dem ich das verstanden habe, kommt ein Prozess in Gang. Ich entscheide, ich habe einen Spielraum – und nicht andere werden an mich mit Werkzeug drangehen, sondern ich muss daran arbeiten. In dem Fall der Ernährungspsychologie heißt das, ich arbeite an dem Thema der Wahrnehmung, ich arbeite an dem Thema der Grenze – arbeite an den Automatismen. Das braucht Geduld. Es braucht Zeit. Es braucht innere Arbeit. Das ist natürlich nicht so verlockend als „fünf Kilo weniger in einer Woche“. Aber es ist auch wunderbar und ein Ausstieg aus dem Diät-Teufelskreis. Foto: Adobe Stock @ akf
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