auris - stock.adobe.com … das birgt ein paar interessante psychologische und physikalische Phänomene. Zum Beispiel kann etwas sehr nahe sein und einem trotzdem enorm fern liegen. Wie etwa gerade der Abwasch, der seit gestern in der Küche auf Erledigung wartet. Anderes ist zwar in weiter Ferne, geht einem dennoch sehr nahe: All die Idioten etwa, die glaubten, AfD zu wählen, würde ihr Leben auch nur ein Stück besser machen. Museen nehmen in diesem Nah- Fern-Relativismus eine ganz besondere Rolle ein – weil sie ihren Besuchern Themen, von denen man annahm, dass sie einen kaum mehr interessieren könnten als die Reispreise in Hunan, so nahebringen, dass man sich nachher fragt, wie man jemals so achtlos an ihnen vorbeileben konnte. Weil sie spannend sind, weil sie uns neue Facetten auch des Altbekannten aufzeigen, weil sie unseren Horizont erweitern, uns Appetit auf noch mehr Neues machen und damit für eine Weltoffenheit sorgen, die wir gerade jetzt so dringend brauchen. Aus dem jüngst erschienenen wunderbaren Büchlein „101 Museen in Hessen“ von Julia Söhngen und Bernd Buchterkirch (Societäts-Verlag) haben wir sechs solcher Nah-Fern-Selbst-Erfahrungen für Sie ausgewählt und die Museums- Chefinnen und -Chefs gefragt, wie und womit sie eigentlich diese so wichtige Aufgabe ihrer Häuser bestreiten. Von Constanze Kleis und Jonas Ratermann (Fotos)
PORTRÄT 33 Philipe Havlik (45). Der Geologe und Paläontologe ist Geschäftsführer des Welterbes Grube Messel. WIE BRINGT MAN MENSCHEN EIN THEMA NAHE, DAS FÜR DIE MEISTEN JA NICHT NUR ZEITLICH IN UNENDLICHER FERNE LIEGT: FOSSILIEN AUS DEM EOZÄN (ETWA 56 MILLIONEN JAHRE – 33,9 MILLIONEN JAHRE V. CHR.)? Ich verstehe mich als Öffentlichkeitsarbeiter für Paläontologie. Ich versuche mit unseren Ausstellungen möglichst lebendig zu vermitteln, wie enorm der gesellschaftliche Nutzen dieser Forschung ist. Wie hoch die Relevanz der Lehre dessen, was früher auf diesem Planeten gelebt hat, für uns heute sein kann. Paläontologie ist ja nicht nur, Dinos gucken, sondern sich etwa auch anzuschauen: Wie war das Klima früher? Welche Rückschlüsse kann ich daraus auch für die Zukunft ziehen? Ich möchte zeigen, welche Relevanz das Früher für das Heute besitzt – deshalb verstehe ich mich auch eher als Manager für Paläontologie. Mit der Ambition der Wissenschaftsmüdigkeit vorzubeugen und etwas entgegenzusetzen. SCHADE, DASS MAN DIESEN KICK NICHT AUCH IM MUSEUM ABBILDEN KANN … Das genau werden wir bald versuchen. Wir denken über eine Möglichkeit nach, sich als Besucher auch als Paläontologe zu fühlen, selbst buddeln zu können. Aber erstmal feiern wir 2025 unser 30jähriges UNESCO-Jubiläum und dann wird es bald auch um Insekten aus der Grube Messel gehen. Wussten Sie, dass es einmal Ameisen mit 15 Zentimeter Flügelspannweite gab? Natürlich bieten wir auch immer viele Aktivitäten für Kinder an und als nächstes findet am 18. August das zweite Messeler Grubenfest statt. Mit Führungen und Vorträgen. Der Eintritt ist frei. AKTUELL MIT EINER AUSSTELLUNG ÜBER URPFERDCHEN … Das Urpferd ist nicht umsonst das Symbol des Unesco-Welterbes Grube Messel. Hier in den Wäldern rund um das heutige Darmstadt war vor 48 Millionen Jahren das größte Aufkommen. Nirgendwo auf der Welt wurden mehr Urpferdskelette gefunden als hier. Mit diesen Funden haben wir Zugang auch zu dem Ökosystem des Eozän. Und wir werden vielleicht auch bald den Streit schlichten können, der zwischen den USA und Europa gärt: Auf beiden Kontinenten hatten sich zeitgleich ganz ähnliche, aber unterschiedliche Arten entwickelt. Eine von beiden war nicht erfolgreich und ist ausgestorben. Wir wissen aber nicht welche. Das soll nun mit neuen Forschungsmethoden untersucht werden. WER ODER WAS HAT BEI IHNEN DENN DIESE LEIDENSCHAFT FÜR STEINE UND FOSSILIEN ENT- FACHT? Ich habe wie jedes Kind Muscheln gesammelt und Steine. Irgendwann habe ich gemerkt, dass man das ja kombinieren kann. Dass es Muscheln gibt, die schon Steine sind. Mit 15 Jahren umfasste meine Sammlung dann 3.000 Teile und aus denen habe ich mir dann mein eigenes kleines Museum gebastelt. Seitdem bin ich beim Thema. Mich interessiert auch einfach Geschichte, weil wir daraus so viel für unsere Zukunft lernen können. Und dann gibt es in der Paläontologie ja auch diesen Moment, wenn man etwas findet und weiß: Ich bin der erste Mensch, der das betrachten darf. Welterbe Grube Messel, Roßdörfer Straße 108, 64409 Messel, Öffnungszeiten täglich von 10 bis 17 Uhr, www.grube-messel.de
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