Dr. Dirk Pörschmann (54), der Kunsthistoriker leitet das Museum für Sepulkralkultur in Kassel und ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal. Foto: Anna Lischper; Museum für Sepulkralkultur schnell verschwinden, gibt es Kulturen, in denen die Menschen teilweise jahrelang mit ihren Toten zusammenleben so wie in der Region Tana Toraja auf Sulawesi. Dort sind Bestattungen so teuer, dass die Toten eben daheim warten müssen, bis die Familien das Geld zusammenhaben. SIE BEFASSEN SICH AUCH MIT SCHWEREN THEMEN, DIE KAUM LEICHT ZU MACHEN SIND. WIE ETWA IN DER SONDERAUSSTELLUNG „SUIZID – LET’S TALK ABOUT IT“ … Wir haben die Ausstellung sehr lange vorbereitet – mit Studierenden des Instituts für Sozialwesen und mit dem Suizidologen Reinhard Lindner, der das Nationale Suizidpräventionsprogramm in Deutschland leitet. Sie war eingebettet in ein vielseitiges Begleitprogramm und wir hatten eine psychosoziale Betreuung hier vor Ort. Es war eine unserer erfolgreichsten Ausstellungen. Was zeigt, wie wichtig das Thema ist. UNTER SEPULKRALKULTUR KANN MAN SICH NUR SCHWER ETWAS VORSTELLEN … Das geht den meisten so. Sepulkralkultur stammt aus dem Lateinischen und „ist die Kultur des Grabes“. Man könnte auch sagen: Sterben, Trauern und Bestatten sind unsere Hauptthemen. DAFÜR SCHEINT IHR HAUS ABER GANZ SCHÖN LEBENDIG. Wir wollen zeigen, dass der Tod zum Leben gehört. Deshalb wird bei uns auch mal getanzt, so wie anlässlich einer Ausstellung von figürlichen Särgen aus Ghana. Wir hatten Särge in Form von Chili-Schoten, eines Busses, eines Hobels oder eines Tigers hier, die dort seit den 1950er- Jahren en vogue sind. Begräbnisfeiern dauern dort manchmal mehrere Tage und natürlich gehört auch eine Band dazu. Auch bei uns gab es deshalb Musik. Außerdem finden hier auch regelmäßig Kindergeburtstage statt. Man kann wählen zwischen Piraten-, Geister- und Schokoladenparty. WAS TREIBT SIE SELBST BEI DER BESCHÄFTIGUNG MIT DEM TOD AN? Ich habe als Jugendlicher erlebt, wie meine Großmutter 1985 in einem Achtbett-Zimmer an Krebs – man leider sagen muss– verreckt ist. Wie man Sterbende damals noch ins Badezimmer schob und ab und zu schaute, ob sie schon tot sind, habe ich noch Anfang der 1990er als Zivildienstleistender erlebt. Der Tod gehört zum Leben und unter die Lebenden. Wir wollen ihn hier sichtbar machen – in all seinen Facetten. KEINE ANGST, DASS DAS THEMA ENDLICH IST – UM BEIM THEMA ZU BLEIBEN … Keineswegs. Das sage ich nach etwa 140 Ausstellungen in unserem Museum und mit Blick auf den Umbau und die Sanierung des Hauses ab dem Jahr 2026. Wir planen eine neue Dauerausstellung. So etwas wie die Bestattungskultur auf Sulawesi wird man weiterhin eher im Ethnologischen Museum sehen können. Wir sind ein Einwanderungsland und wir erhalten ja Steuergelder von allen Kulturen, die hier leben. Deshalb wollen wir auch zeigen, dass etwa die Bahai sich niemals verbrennen lassen. Der Körper gilt als Wohnung für die Seele. Und dann sollte ein Grab nicht weiter als eine Stunde Reisezeit vom Sterbeort entfernt sein. UND SIE, FEUER- ODER ERDBESTATTUNG? Ganz klar Erdbestattung. MEINE SCHWIEGERMUTTER – SEHR KATHOLISCH – HÄTTE DAS ALS WÜRDELOS EMPFUNDEN … Beim „Día de los Muertos“, dem mexikanischen Totenfest, das wir auch feiern, spielen Süßigkeiten ja eine große Rolle. Andere Länder, andere Beziehungen zum Tod. Unser Thema ist ja immer auch, wie andere Kulturen damit umgehen, wie dort die Bestattungsriten sind. Während unsere Toten möglichst Museum für Sepulkralkultur, Weinbergstraße 25-27, 34117 Kassel, Öffnungszeiten: Di bis Sonntag 10 bis 17 Uhr (Mittwoch bis 20 Uhr), www.sepulkralmuseum.de
PORTRÄT 36 | 37 Dr. Jutta Pauli (65), die Prähistorikerin/Archäologin leitet das Rosenmuseum im „Rosendorf“ Steinfurth, das weltweit erste Museum und das einzige in Europa zur Kunst- und Kulturgeschichte der Rose. WAS IST – NEBEN DEM AUGENSCHEINLICHEN – FÜR SIE DAS BESONDERE AN ROSEN? Einmal sind sie Majestäten und wollen als Königin des Gartens gut behandelt werden. Dann blühen sie aber auch bis zum Ende des Jahres und wenn man Glück hat, kann man sogar noch an Weihnachten eine Rose aus dem Garten in die Vase stellen. Sie sind gleichzeitig hochsensibel und stark. Sie besitzen eine große Symbolkraft, sind enorm inspirierend – wie in unserer Abteilung „Die Rosen und die schönen Künste“ zu sehen ist. Und sie spielen auch in unserer Alltagskultur eine wichtige Rolle. ALSO WERDEN IHNEN DIE ROSEN-THEMEN NICHT AUSGEHEN? Niemals. Die Rose hat so viele Facetten. Sie ist ja nicht nur schön. Sie hat auch Dornen. Das thematisieren wir aktuell mit unserer Ausstellung „Die dunkle Seite der Rose oder die Faszination des Gegenteils“. Wir hatten schon Ausstellungen zur innigen Beziehung zwischen Frauen und Rosen. Als Sinnbild umfasst die Rose ja alles, was die Frau körperlich und seelisch ist oder was der Mann in sie hineingeheimnisst. Und das sind nur zwei Beispiele von unendlich vielen Facetten der Rose, denen wir uns schon gewidmet haben. Sie kam ins Haus und es passte sofort. Und dann ist es ja so: Ich gehe zwar in Ruhestand, aber ich denke, ich werde weiterhin noch ehrenamtlich mitarbeiten. Wenn es genehm ist. WENN SIE EIN ODER AUCH ZWEI EXPONATE MIT NACH HAUSE NEHMEN DÜRFTEN. WELCHE WÄREN DAS? Ich neige so gar nicht zum Sammeln. Und dann sind die Stücke ja im Haus bestens aufgehoben. Aber wenn ich wirklich die Möglichkeit hätte. Ich würde Das Rosenbild von Ottilie W. Roederstein nehmen, das auch auf unserer Website ist. Wenn ich im Haus bin, dann gehe ich mindestens einmal am Tag dorthin. Die Rosen sind so lebensnah – man kann fast ihren Duft riechen. DIE STADT NAUHEIM UNTERSTÜTZT DAS HAUS FINANZIELL ZWAR GROSSZÜGIG, TROTZDEM MUSS ES AUCH VORWIEGEND MIT DEM HAUSHALTEN, WAS ES AN EINTRITT, SHOP UND CAFÉ EINNIMMT. WAS WÜRDEN SIE TUN, WENN MAN IHNEN EIN MILLIONEN-BUDGET ZUR VERFÜGUNG STELLTE? Ich würde natürlich vergrößern. Die Rose hat das Zeug, sich auch über mehr Platz auszubreiten. Und dann hätten wir auch Raum für die Museumspädagogik und ein größeres Depot. Das fehlt nämlich derzeit. IHR MUSEUM FEIERT 2024 SEIN 50. JUBILÄUM – GLEICHZEITIG GEHEN SIE IN RUHESTAND UND ÜBERGEBEN IHRE AUFGABEN AN IHRE NACHFOL- GERIN MADELAINE HECK – IST DAS DER DORNIGE TEIL IHRER ARBEIT? Auf keinen Fall. Ich hatte zwar immer sehr viel Arbeit, aber vor allem unglaublich rosige Zeiten in dem Haus. Und bin nun sehr glücklich über meine Nachfolgerin. Ich durfte sie mir ja selbst aussuchen und habe mit Madelaine Heck die Ideal-Besetzung gefunden. Rosenmuseum Steinfurth, Alte Schulstraße 1, 61231 Bad Nauheim, Öffnungszeiten von April bis November täglich 13 bis 17 Uhr, www.rosenmuseum.com
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