MEIN FRANKFURT // GESELLSCHAFTKRIMINALTANGOErzählt man irgendwo auswärts, dass man in Frankfurtlebt, wird man sofort mit einem Blick taxiert, in dem sichRespekt und Mitleid mischen. „Da passiert dochso viel!?“, hört man dann und hat den Eindruck, dass manda gerade nach Einschusslöchern abgescannt und fürziemlich „hardboiled“ gehalten wird. Ja, nichts ist sounkaputtbar wie ein schlechter Ruf.Auch wenn es sich damit im Fallder Mainmetropole wie mitden Sternen verhält, die zwarlängst tot sind, deren Lichterman aber noch sieht. Nicht, dass dieStatistik dazu nicht einiges beizutragenhat. Tatsächlich heißt es nicht zu Unrecht„Hauptstadt des Verbrechens“. Erst imletzten Jahr zählte Forbes Frankfurt alseinzige deutsche Stadt zu den gefährlichstender Welt. Unter 60 kam Frankfurtauf Platz 47. Und die britische Print-KrawallschachtelSUN warnte anlässlich derFußball-Europameisterschaft britischeBesucher vor dem „gefährlichsten SlumDeutschlands“, vor „Zombieland“. Aberdeswegen gleich die Nerven verlieren?Nicht umsonst ist Frankfurt Epizentrumder Coolness und die heimliche Kapitaleder gesunden Skepsis. Hier – in der Wiegeder Frankfurter Schule – gilt, niemals undan nichts einfach so zu glauben, außer„dass e Pfund Rindfleisch e gud Supp gibt.“Zurecht. Denn wie alles im Leben sindauch die vermeintlichen Kriminalitäts-Spitzenwerte in Frankfurt durchausrelativ: Wo Tag für Tag hunderttausendeMenschen von auswärts an- und abreisen,steigen natürlich auch die Fallzahlen.Man könnte auch sagen: Die Massemachts möglich, dass wir uns in Mainhattanganz schön gruseln könnten.Hätte nicht mal jemand diesen Umstandberücksichtigt und aus der Kriminalitätsstatistikherausgerechnet. Voila – plötzlichwar dann Frankfurt nur nochauf Platz zehn. Dann zählen im großenDelikt-Quartett die kleinen wie diegroßen Verbrechen gleich viel. Ladendiebstahloder Fälschung fallen alsogenauso ins Gewicht wie Mord undKörperverletzung. Macht man sich dieMühe, das einmal nach Schwere derTaten auseinander zu dividieren, wiees für die Frankfurter Statistischen Berichtegetan wurde, ergibt sich gleich einanderes Bild. Da dominieren mit Abstand„Diebstahl“ und „Straftaten nach demAufenthaltsgesetz“ – was etwa meint,wenn jemand illegal einreist, falscheDokumente verwendet usw. Das häuftsich natürlich mit einem der größtenFlughäfen Europas in der Nachbarschaft.Ebenso wie „Drogenfunde“. Dann kannman eine Statistik mit hohen Fallzahlenauch immer so lesen, dass eben auchviel angezeigt und geahndet wird und128
GESELLSCHAFT // MEIN FRANKFURTman sich also eigentlich gerade dannsicherer fühlen kann als andernorts,mit weniger engmaschigen Kontrollen.Dann gibt es außerdem gravierendeUnterschiede zwischen den Stadtteilen.Das Bahnhofsviertel ist durchaus einKriminalitäts-Hotspot und mancheEcken, wo das Drogenelend am größtenist, die biografischen Vollkatastrophensich häufen, sollte man schon deshalbmeiden, um nicht in den Verdacht desSozial-Elend-Voyeurismus zu geraten.Aber genauso ist das Bahnhofsviertel einNightlife-Hotspot. Es gibt coole Bars undLeckeres für den globalisierten Gaumen.Selbstverständlich original und nicht bloßabgeschrieben. So wie das Pak Choi, einRestaurant, in dem nicht nur Frankfurtsstetig wachsende chinesische Communityetwa Rindersehnensalat, Schweinedickdarmoder Entenzungen genießt.Die Stadt ist klein. Da liegen auch Glanzund Elend nahe beieinander. Und wieimmer, wenn viele Menschen zusammenkommen,sollte man auf seine Habseligkeitenaufpassen und Händeln aus demWeg gehen. Das gilt so besonders auchfür den Stadtteil Sachsenhausen unddie City. Will man richtig ruhig schlafen,müsste man schon nach München ziehen,das Schlusslicht der deutschen Städte inSachen Kriminalität. Aber wer will dasschon? Niemand, der genauso gut auchin Frankfurt sein kann und schon ausErfahrung weiß: Zum Fürchten ist dieStadt vorwiegend in den Frankfurtkrimis.Etwa in den Büchern von Matthias Altenburg,Andreas Franz (der früh starb unddessen Figuren der Autor Daniel Holbeweiterleben ließ), Dieter Kaufmann, LeoBorn, Andrea Habeney, Lutz Ulrich. Nichtzu vergessen die Fernseh-Krimis. Sicherhat der Frankfurt-Tatort das Seine zumzweifelhaften Ansehen der Stadt im Restdes Landes beigetragen. Frankfurt gehörtfast seit Beginn des TV-Klassikers zumfesten Standort. Bereits 1971 ermittelte„Kommissar Konrad“ (Klaus Höhne, †79)im Fall „Frankfurter Gold“. Es kamenund gingen Schauspieler wie Lutz Moik,Heinz Treuke, Klaus Löwitsch, Karl Heinzvon Hassel – der übrigens am längstenamtierende Frankfurter Tatort-Kommissar–, dann kamen die gemischten Doppel:Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf,Joachim Krol und Nina Kunzendorf. Geradehat mit Wolfram Koch und MargaritaBroich wieder ein starkes Ermittler-Teamabgedankt, geht mit Melika Foroutanund Edin Hasanovic ein weiteres, vielversprechendesan den Start und die ErfolgsgeschichteFrankfurts als Tatort weiter.Ein weiterer Krimiklassiker made in derMainmetropole: „Ein Fall für zwei“. DieZDF-Serie ging 1981 an den Start und ist– im Unterschied zu vielen Protagonisten– nicht totzukriegen.Das gilt ebenso für die legendären Kriminalfällein Frankfurts Geschichte. Auchfür sie trifft wohl zu, was Alfred Hitchcockeinmal gesagt haben soll. Dass nämlichjeder einen guten Mord zu schätzenwisse. Vorausgesetzt, man ist nicht selbstdas Opfer. Rosemarie Nitribitt etwa hates auf diese Weise geschafft, gleichzeitigsehr tot und gerade deshalb unsterblichzu sein. Sie ist neben dem armen Gretchenaus Goethes Faust vermutlich diebekannteste Frankfurter Leiche. Zumalder Tod der damals 24-jährigen Prostituierten– sie wurde am 1. November 1957mit einer Platzwunde am Kopf und Würgemalenam Hals tot in ihrer Wohnung inder Stiftstraße 36 am Eschenheimer Turmaufgefunden – bis heute ungeklärt ist.Natürlich ist der Mord an ihr auch Themazahlreicher Stadtführungen.Nicht zu vergessen, die True-Crime-Podcasts, mit denen man in Frankfurtseiner Angstlust frönen kann. Die einemmit Mord und Totschlag den Proberaumder Emotionen aufschließen, wo sie unsgefahrlos und mit höchstens wohligemSchauder mit dem eigentlichen Unerträglichenkonfrontieren. Immer mit demberuhigenden Wissen: Das ist jemandanderem passiert. Ich kann das Leben,den Schmerz, die Trauer durchspielen,ohne selbst Akteur zu sein. „Das erlaubtuns die Überwindung von Ärger und dasAblegen der Last der Traurigkeit, um unsselbst von innen zu befreien,“ schreibtdie Psychologin Valeria Sabater (Gedankenwelt.de).Ist also nur grundgut gemeint undziemlich spannend, wenn etwa Prof. Dr.Marcel A. Verhoff, Direktor des Institutsfür Rechtsmedizin am UniversitätsklinikumFrankfurt und die FrankfurterKrimi-Autorin Franziska Franz in ihremPodcast „SpurenElemente“ historische,teilweise unaufgeklärte Kriminalfälleunter die Lupe nehmen und darausgerade ein Buch gemacht haben. Auchdie Gerichtsreporterin des HessischenRundfunks, Heike Borufka und PodcasterBasti Red sprechen über echte Kriminalfälle,Gerichtsurteile und das deutscheJustizsystem. Man könnte auch frei nacheinem Film von 1962 sagen: In Frankfurtgeht die Mimi ohne Krimi nie ins Bett.Aber nicht, weil ihr schon morgens beimBrötchenholen die Kugeln um die Ohrenfliegen, nachdem sie schon nach demersten Kaffee die Scherben des von dreistenDieben eingeschlagenen Fenstersentfernt, die ihr gestern beim Taschendiebstahlentwendeten Kreditkartengesperrt hat und sich noch stärken will,bevor sie bei ihrer Bank das für ihren Gattenvon seinen Geiselnehmern geforderteLösegeld abholt. Die Realität ist zumGlück viel profaner. Werden doch diemeisten FrankfurterInnen allerhöchstenseinmal mit kriminell hohen Mieten oderempörend häufigen Verspätungen vonBussen und Bahnen zu tun haben. Undsie werden irgendwann vermutlich erleben,dass man sich meistens vor dem undden Falschen fürchtet. Denn am Ende istes ja oft gar nicht das „Draußen“, wo hinterjedem Busch böse Gefahren lauern,sondern vielmehr der Ort, wo wir uns amsichersten fühlen, wo das Meiste passiert.Weil einem jemand weismacht, dass derEnkel wegen eines Unfalls ganz dringendGeld braucht, weil man am Telefon dazuverlockt wird, seine Kreditkartendatenherauszugeben oder einem vermeintlichenPolizisten glaubt, der dringend voreinem Zugriff von Verbrechern auf dasKonto warnt und netterweise anbietet,die gesamte dort geparkte Barschaft ausSicherheitsgründen mal eben auf einanderes Konto zu transferieren.Am Ende braucht man in Frankfurtvor allem Mut, um den ewigen Angstmacherndie Stirn zu bieten. DenFakten zu folgen, nicht den Gerüchten.Und natürlich für den Apfelwein.129
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