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Schneekugel

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Das Magazin aus dem Frankfurt Museum

Die Ausstellung ist von

Die Ausstellung ist von denStadtlaborant*innen gemeinsamentwickelt worden – unterstützt vonStadtforscherin Tabea Latocha (li.)und den Kurator*innen KatharinaBöttger (re., Bildmitte), NoahNätscher (re., ganz links) undAngelina Schaefer (unten).Wohnungskonzernen wie der Vonoviageht es um schnelle Rendite“, meint dieForscherin. Also wurde die Miete peuà peu erhöht, gleichzeitig hat Vonoviabei Verwaltung und Unterhaltungmassiv gespart. „So lange es geht wirdso wenig wie möglich investiert – undirgendwann wird modernisiert.“ Schoneine Straße weiter präsentieren sichdie Gebäude aufgehübscht in frischemAnstrich. Bauzäune und zertrampelteGrünflächen machen deutlich, dassdie Arbeiten noch laufen. Der Cloudabei: Während eine Instandhaltungvom Eigentümer zu tragen ist, gilt eineModernisierung als Wohnwertverbesserung– weswegen die Kosten in Formstattlicher Mieterhöhungen auf dieMieterschaft umgelegt werden.Hinzu kommt: Modernisierungsmaßnahmenverursachen Lärm undDreck, mal funktioniert die Heizungnicht, mal bleibt das Wasser kalt.Das kann passieren. In der Carl-von-Weinberg-Siedlung aber ist es in denvergangenen Jahren so häufig passiert,dass sich das kaum mit schlechtemManagement erklären lasse. Latocha:„Modernisierung wird auch alsHebel zur Verdrängung eingesetzt.“Mietparteien ziehen weg, weil sie dieBeeinträchtigungen nicht durchstehen.Mit ihnen verschwinden die Bestandsverträgeund bei Neuvermietungenkann der Mietpreis höher angesetztwerden. Euro für Euro schaukelt sich sodie ortsübliche Vergleichsmiete nachoben – alles zugunsten der Eigentümerund zulasten der Mieterschaft. DieHumangeografin hat den Protest derBewohner*innen in der Siedlung begleitetund festgestellt: „Verdrängungbeginnt schon dann, wenn gelebteNachbarschaften zerstört werden, dasZusammenleben anonymer wird undMenschen sich ausgeliefert fühlen.“Auch die dritte Siedlung, mitder sich das Stadtlabor befasst – dieHenri-Dunant-Siedlung in Sossenheim–, wird aktuell modernisiert. Siegehört der GWH WohnungsgesellschaftHessen (GWH), einer Tochter derHessischen Landesbank. Zwar werdendie Maßnahmen hier besser moderiertund die Mieterhöhung ist gedeckelt.Doch auch hier ist die Verunsicherunggroß. Kuratorin Böttger: „Die Wohnungskrisewird durch die Klimakrise nochangeheizt.“ Bei vielen Siedlungen isteine ökologische Sanierung, die zueiner höheren Energieeffizienz führt,angebracht. Es hilft dem Klima, wennmehrfachverglaste Fenster eingebaut,Dämmungen verbessert und nachhaltigereHeizungssysteme installiertwerden. Wie aber kann das sozialverträglichgeschehen – zumal auf einemangespannten und liberalisiertenWohnungsmarkt, auf dem Modernisierungenzur Gewinnmaximierungeingesetzt werden? Ein Dilemma.In der Stadtlabor-Ausstellung wirddie Frankfurter Wohnungskrise konkret.Die Beiträge der beteiligten Stadtlaborant*innenerzählen Geschichtenaus den Siedlungen, erinnern ankollektive Kämpfe und vermittelnsubjektive Eindrücke, darunter immerwieder die Sorge, ob man sich in Frankfurtdauerhaft ein Zuhause wird leistenkönnen. Ein Exkurs in die israelische20

WohnungskrisekompaktPartnerstadt Tel Aviv zeigt zudem,dass die Wohnungskrise kein regionalesProblem ist – ebenso wenig dasAufbegehren vieler für das Recht aufbezahlbares Wohnen. Auch in Frankfurthat sich wohnungspolitischerWiderstand von unten in Form zahlreicherMieterinitiativen, Netzwerke undAktionsgruppen organisiert. Durch dieAusstellung zieht sich die Forderung,dass eine Stadt nur dann „für alle“ ist,wenn sich auch alle eine Wohnungleisten können. Wie aber kommt mandahin? Das Stadtlabor präsentiertAnsätze – vom „Mietendeckel“ über genossenschaftlicheKonzepte bis dahin,Wohnungsbestände zu vergesellschaften.„Wir stellen dar, welche progressivenInstrumente und Forderungendas Wohnen gemeinnützig stärken undWohnsicherheit geben kann“, erläutertKuratorin Katharina Böttger. Damitsetzt die Ausstellung im Jubiläumsjahrdes Neuen Frankfurt eine für dieZukunft der Stadt wegweisende Frageauf die Agenda: Wie könnte ein neuesNeues Frankfurt aussehen? (cs) Immer mehr Frankfurter*innenDie Bevölkerung in Frankfurt wächst und wächst – von 592.411 im Jahr 1986 auf776.843 Ende 2024. 2035 sollen es über 827.000 Menschen sein. Berechnungenzufolge müssten pro Jahr knapp 6.000 Wohnungen gebaut werden, um denBevölkerungsanstieg und wegfallende Wohnungen zu kompensieren. Im vergangenenJahrzehnt sind jährlich nur rund 3.000 Wohnungen hinzukommen. Leerstand trotz BedarfNach der jüngsten Gebäude- und Wohnungszählung standen im Mai 2022 inFrankfurt 12.983 Wohnungen leer, also 3,2 Prozent des Bestands. Zufall ist dasnicht, da Eigentümer gar nicht immer an einer Vermietung interessiert sind,sondern auf eine Wertsteigerung der Immobilie spekulieren. Das „Zweckentfremdungsverbot“,das spekulativen Leerstand verbietet, wurde in Hessen2004 abgeschafft, soll aber wieder eingeführt werden. Mehr Platz pro KopfDie Wohnungskrise hat sich auch dadurch verschärft, dass die pro Kopf genutzteWohnfläche stetig steigt: Waren es 1980 weniger als 31 Quadratmeter,sind es heute rund 40 qm. Das liegt – Stichwort „Single-Hauptstadt“ – nichtzuletzt daran, dass in mehr als der Hälfte aller Wohnungen nur eine Personlebt. Die Unterschiede zwischen den Stadtteilen sind groß: Während im Bahnhofsvierteleine Person im Schnitt rund 60 qm bewohnt, sind es in Zeilsheim,Griesheim oder Fechenheim nur knapp über 30 qm. MietpreisentwicklungLaut Mietspiegel liegt der durchschnittliche Preis pro Quadratmeter in Frankfurtbei 11,50 Euro. Vor 20 Jahren waren es 6,91 Euro. Der Mietspiegel ist daseine, die Realität auf dem freien Markt das andere: Bei den Angebotsmieten,also dem, was dort aktuell verlangt wird, kostet ein Quadratmeter im Schnitt15 Euro. Landesweit wohnt es sich nur in München noch teurer. Immer weniger SozialwohnungenSozialwohnungen werden an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vergeben.In Deutschland ist die Mietpreisbindung allerdings befristet, d.h. sie fälltirgendwann weg. Da seit den 1990er Jahren in Frankfurt viel zu wenig Sozialwohnungengebaut werden – 2023 waren es lediglich 90 für Menschen mitgeringen Einkommen – und immer mehr aus der Bindung fallen, schrumpftihre Zahl stetig: von 67.980 im Jahr 1990 auf nur noch 28.981 im Jahr 2022. Stadt der SiedlungenIn den 90 größten Frankfurter Siedlungen lebten 2020 fast 260.000 Menschen– also mehr als jede*r Dritte in Frankfurt. Die einwohnerreichsten Siedlungensind die Nordweststadt mit rund 17.500, gefolgt vom Riedberg und derSiedlung Goldstein. Die älteste und gleichzeitig kleinste ist die 1862 gebauteSiedlung am ehemaligen Lokalbahnhof in Sachsenhausen. Aktuell plant dieKommune mit dem Projekt „Stadt der Quartiere“ im Nordwesten erstmalswieder, neue Siedlungen zu bauen.21

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