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Schneekugel

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Das Magazin aus dem Frankfurt Museum

NeueImpulseDas Frankfurt

NeueImpulseDas Frankfurt Museum hat eine neue Direktorin.Im Interview verrät Doreen Mölders,was sich mit ihr an der Spitze ändern wird.Zum Zeitpunkt dieses Interviews ist es für eine 100-Tage-Bilanz noch etwas zu früh. Können Sie trotzdem schonetwas zu Ihrer neuen „Heimat“ sagen?Ich mochte die Stadt schon, bevor wir Ende letzten Jahreshierher gezogen sind. Ich weiß die Multikulturalität sehr zuschätzen, die ich ja aus dem Osten Deutschlands so überhauptnicht kenne. Ich finde auch die Architektur faszinierend,mag es, auf dem Eisernen Steg zu stehen und dann zusehen, wie bei gutem Licht die Skyline zu leuchten beginnt.Aber ich bin auch beeindruckt von dem bürgerschaftlichenEngagement dieser Stadt und natürlich von ihrer Geschichte,gerade im Hinblick auf die Nationalversammlung und dieGrundsteinlegung für demokratische Strukturen.Sie sind die erste Ostdeutsche an der Spitze einer FrankfurterKulturinstitution. Macht das etwas mit Ihnen oder spielt dasfür Sie selbst gar keine Rolle?Doch, durchaus! Ostdeutsche haben in den Führungsetagendeutscher Unternehmen insgesamt immer nochSeltenheitswert und im Kulturbereich sieht das nichtanders aus – nicht nur in Frankfurt, sondern in ganzDeutschland. Insofern freue ich mich natürlich, wennRessentiments abgebaut werden und auch Menschen mitOstbiografien mehr Chancen erhalten – zumal diese Perspektivenja auch ihr Handeln prägen.Inwiefern?Das sind so Kleinigkeiten. Beispielsweise ist bei mir dieZukunft erst einmal positiv besetzt, dystopische Ängstesind mir eher fremd. Das liegt daran, dass uns in der DDRimmer wieder eingetrichtert wurde, dass uns eine großartigesozialistische Welt bevorsteht, in der wir alle befreitleben können, wenn wir nur alle gemeinsam fleißigdaran arbeiten.HMF, Stefanie Kösling32

Genau diese Zukunft ist dann aber nicht eingetreten unddas ganze System kollabierte – woran manch andere Ostdeutschesehr zu knabbern haben und gar nicht so positivin die Zukunft schauen.Richtig, das sehe ich sogar bei meinen eigenen Eltern.Dass es bei mir anders war, liegt sicher daran, dass dieWende für mich einen sehr positiven Verlauf nahm – bishin zur Direktion des Historischen Museums Frankfurt.Wie kam es eigentlich, dass Sie sich auf diese Stelle beworbenhaben? Die Frankfurter Stadtgeschichte beginnt jaerst im Mittelalter, Sie selbst sind von Ihrer Ausbildung abereine prähistorische Archäologin?In der Position geht es weniger um detailliert fachlichesWissen – das ja im Team sehr stark vertreten ist –, sondernzum einen um ein grundsätzliches Verständnis fürdas Fach und zum anderen um Kulturmanagement. Dasheißt, ich würde mir jetzt nicht unbedingt zutrauen, einKunst- oder ein naturwissenschaftliches Museum zuleiten. Aber ob ich nun ein archäologisches Museum leite,wie zuletzt das Landesmuseum für Westfalen in Herne,oder ein Historisches Museum, wie das hier in Frankfurt,ist letzten Endes nicht entscheidend. Und dass ich michauf diese Stelle beworben habe, liegt einfach daran, dassdieses Museum wirklich eine große Strahlkraft besitzt,die weit über die Grenzen der Stadt hinauswirkt. Natürlichwar das sehr reizvoll und es erfüllt mich mit großemStolz und Freude, dass es dann auch mit der Bewerbungtatsächlich geklappt hat.Was wird sich mit Ihnen an der Spitze des Museumsändern?Ich habe mir fest vorgenommen, die ersten 100 Tage vorrangigzuzuhören und zu lernen, um einen guten Überblickzu bekommen. Bei einem großen Zukunftsworkshopmit dem gesamten Team Mitte März haben wir gemeinsambesprochen, wo wir hinwollen. Um jetzt sehr konkretzu werden, ist es noch etwas früh. Sicherlich wird es abernicht so sein, dass ich jetzt hier alles umkremple – nichtzuletzt deshalb, weil das Team mit dem bisherigen DirektorJan Gerchow an der Spitze in den vergangenen JahrenHervorragendes geleistet und wirklich Meilensteine inder Museumslandschaft gesetzt hat. Das heißt natürlichnicht, dass sich gar nichts ändern wird. Wenn man vonaußen kommt, hat man immer einen frischen Blick undbringt neue Impulse mit.Sie sind im Netzwerk Agile Kultur engagiert, das für eineInnovationsorientierung im Kulturbereich steht. Dort habenSie einmal gefordert, ein Museum müsse sich vom Ausstellungstempelzu einem Labor wandeln. Was meinen Siedamit?Dass bei der Museumsarbeit die Besucher*innen-Orientierungnoch viel stärker im Vordergrund stehen muss.Allerdings ist das für Frankfurt gar nichts neues, dasStadtlabor war hier sogar Vorreiter. In Herne haben wirdas aber mit dem sogenannten Co-Labor noch einmal aufdie Spitze getrieben, indem wir museale Vermittlungsformategemeinsam mit den Nutzer*innen entwickelt haben.Dort wurde in einem Bürger*innen-Beirat demokratischabgestimmt, was wir machen wollen und das wurde dannauch gemeinsam umgesetzt. Aus der Schwarmintelligenzheraus kann eine große Kreativität entstehen!Dabei ging es um innovative digitale Anwendungen.Das ist ohnehin einer Ihrer Schwerpunkte.Richtig. Das Thema Digitalisierung wird uns in nächsterZeit auch in Frankfurt sicher sehr beschäftigen. StichwortKünstliche Intelligenz. Mit ihr wird sich in Zukunft dieForm des Wissenserwerbs und der Wissensverarbeitunggrundsätzlich verändern. Doch was wäre das für eine Intelligenz,wenn die Bestände des kulturellen Erbes, wennunsere Bestände, darin nicht enthalten wären? Bislangsind gerade einmal fünf Prozent unserer rund 600.000Sammlungsobjekte digitalisiert und es wird eine Herkulesaufgabewerden, diese alle online zu stellen. Doch auchin den Ausstellungen selbst werden wir digitaler werden.Wie kann man sich das vorstellen?Da gibt es viele Möglichkeiten, zum Beispiel, dass manmit seinem Smartphone durch die Ausstellung geht, dortExponate scannt und sofort die zugehörigen Infos auf dasHandy bekommt. Oder, dass man mittels Augmented Realityden Staufer Hafen zum Leben erweckt. Ich kann miraber auch ganz neue Media-Guides vorstellen, bei denenbeispielsweise bekannte Schriftsteller*innen aus Frankfurtauf ganz andere, vielleicht eher poetische Weisedurch die Ausstellung führen. Der Fantasie sind da keineGrenzen gesetzt. Und erste Schritte in diese Richtungwurden ja bereits für die aktuelle Mobilitätsausstellunggemacht (siehe S. 26). Bei all dem dürfen wir aber auch nievergessen, dass wir ein Museum für alle machen wollen.Und damit meine ich wirklich: für alle!Das heißt?Es geht mir hier um Diversität, beispielsweise in Bezugauf Geschlecht und Herkunft. Es geht mir aber auch –und da hört man mir vielleicht auch meine DDR-Vergangenheitetwas heraus – um die Arbeiterschaft oder ebenum Schichten, die gemeinhin nicht zur klassischenMuseumsklientel gehören. Diese Debatte will ich auf jedenFall anstoßen – auch ganz konkret mit einer Tagung zumThema Museum und Klassenverhältnisse, die wir noch indiesem Jahr durchführen werden. Denn letztlich ist das fürmich auch das Verständnis von einem modernen Stadtmuseum:Es muss ein Ort sein, der Programme anbietet, diezum Nachdenken anregen, und ein Raum, in dem Debattenoffen und in aller Breite geführt werden.(msk)33

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