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Schneekugel

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Das Magazin aus dem Frankfurt Museum

Josephine und Pia

Josephine und Pia entscheiden,bleibt verborgen. Nur soviel: AmEnde des Vormittags und weiterenKinderbesuchen werden auf „Beten“und „Handyzeit“ am meistenPunkte kleben.Ihre Mitschüler*innen sindderweil an anderen Stationenbeschäftigt. An der Station „Wirsind alle gleich viel wert“ tragensie persönliche Eigenschaften inihren Pass ein, an der Station „Sagdeine Meinung!“ malen sie Plakatemit ihren Forderungen für einefiktive Demonstration. Der einengeht es um Umweltschutz, demanderen um einen Cricket-Platz inFrankfurt, ein Wunsch, den er miteinem Megafon auch öffentlichkundtut. In einer anderen Ecke desRaums lauschen Kinder in einemangedeuteten Zelt zum Thema„Schutz“ persönlichen Geschichten,in denen Kinder von ihrerFlucht erzählen.Strukturiert wird die Ausstellungdurch blaue und rote Stoffbahnen,die von Metallgerüsten herabhängen.Jede Station sieht andersaus, mal sind es robuste Tische mitKinderstühlen, mal gemütliche Sitzecken,in denen Bücher ausliegen.Alle folgen dem Prinzip „Hands-on“:Die Kinder können anfassen, sortieren,stecken, malen, ausschneiden,kleben, stempeln oder an einer MagnettafelWorte zu Sätzen zusammensetzen,was Kinder der 3c eifrigtun: „Ich bin stark wie ein Berg“,steht da. Oder: „Ich bin lustig wieein Witz.“ So flexibel wie das Gedichtspielist das gesamte Mobiliar.Ob Tisch, Box oder Zelt, alles kannschnell auf- und abgebaut werdenund ist leicht zu transportieren. Dashat einen Grund. Denn die Ausstellungsoll nach ihrer Laufzeit hier imJungen Museum auf Wanderschaftgehen. Schulen und andere Institutionenkönnen sie beim FrankfurterKinderbüro kostenfrei ausleihen. Dasist praktisch, um die Kinderrechtean vielen Orten erlebbar zu machen.Nachhaltig ist es auch.Weiter hinten im Raum geht es hochher. An einer Station ist eine Gruppevon Jungs damit beschäftigt, aufrunden Tafeln dargestellte Themendes Lebens an einem Gitterbaum zuplatzieren: Je wichtiger ihnen ist, beieinem Thema mitzubestimmen undgefragt zu werden, umso näher solles zum „Ja“ gehängt werden. Ist es fürdie Kinder eher unwichtig, gefragtzu werden, hängen sie die Bildkartein Richtung „Nein“. Was also ist wemwie wichtig – und was ist wichtiger:Geld oder eine saubere Umwelt?Freizeit oder Schule? Adrian, Charly,Lorenz und Mohammed Lamin sindsich nicht bei allem einig. SollteReligion nicht direkt am „Ja“ hängen?Was ist mit Haustieren? „Brauchtkein Mensch.“ Und: „Kann das Täfelchenmit gesunder Ernährung nichtweiter zum „Nein“?“ Für sich alleinsolche Wertungen vorzunehmen,ist nicht einfach; sie mit anderenabzustimmen und sich gemeinsamfestzulegen, ist eine Herausforderung– oder auch: Demokratie im Kleinen.Entscheiden, was für ein gutes Leben am wichtigsten ist: gar nicht leicht.36

Das Recht auf Schutz: Hier kann man Geschichten von Kindern auf der Flucht lauschen.Wann ist Privatsphäre wichtig?Wo wollen Kindern mitentscheiden?Was brauchen sie?Schließlich bringt MohammedLamin ein schwer zu widerlegendesArgument: „Schlafen ist mir wichtig.Wenn man nicht schläft, ist allesandere egal.“Eine Station weiter wird es kurzernst. Auch hier geht es unter derÜberschrift „Lass es dir gut gehen“darum, für sich und gemeinsam zugewichten, was man für ein gutesLeben braucht, diesmal anhand vonkleinen Symboldosen. Aus seiner Vorauswahlsortiert ein Kind eine Dosenach der anderen aus. Was bleibt istjene, die „Familie“ darstellt. „Das istmir am allerwichtigsten.“ WarumFamilie? Das Kind erzählt, dass dieEltern getrennt leben. Guide Elisagreift das auf und erzählt von Artikel9 der UN-Konvention. Dieser legt fest,dass Kinder das Recht auf Mama undPapa haben, auch wenn diese nichtmehr zusammen sind oder eine neueFamilie haben.Die zwei Stunden fliegen dahin.Die Guides rufen noch einmal alleGruppen in einen durch Stoffbahnenabgetrennten Raum im Raum zusammen.Das ist das „Kinderparlament“.Es ist ein gemütliches Parlament, mitTeppichboden und Sitzsäcken. Hierhaben die Grundschüler*innen nocheinmal die Wahl. Zur Abstimmungstehen fünf Rechte, vom Recht auf„eine eigene Meinung und Mitbestimmung“über „Schutz auf derFlucht und im Krieg“ bis zu „Bildungund Freizeit“, für eines sollen sie sichentscheiden. Es geht so geregelt undgeheim zu wie bei Erwachsenen aneinem Wahltag: Ein Kind nach demanderen verschwindet in einer ArtWahlkabine und wirft eine rote Kugelin eine von fünf transparenten Röhren.Zum Schluss wird die Klasse umeine Rückmeldung zur Ausstellunggebeten. Was ist gut, was könntebesser sein? Hände schnellen indie Höhe. Ryan hat die Ausstellunggefallen. Hussain will wissen, ob dieKinderrechte wirklich auch in Pakistangelten – seinem Eindruck nachgäbe es dort vor allem „Elternrechte“.Isra hätte sich mehr Zeit gewünscht,um alle Stationen anschauen zukönnen. Und Lotta fand nicht so gut,dass der Guide vorgegeben hat, zuwelchen Stationen es geht. „Ich weißja am besten, was mich interessiert.Deswegen würde ich lieber selbst entscheiden,was ich mir anschaue.“ Esscheint zu funktionieren: Die Kinderder 3c kennen nicht nur ihre Rechte –sie fordern sie auch ein. (cs) Ausstellung „Kinder haben Rechte!“,bis 1. März 2026, im Jungen Museum,in Kooperation mit demFrankfurter Kinderbüro, ab 7 Jahren,www.junges-museum-frankfurt.de/kinderrechte37

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